Pop und Politik zusammenbringen: Carolin Albrecht über Globales Engagement im Klimawandel und zu Coronazeiten

Engagiert in der Coronazeit

Zehn Jah­re Ber­li­ner En­ga­ge­ment­wo­che: Die Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lin hat Antrei­ber:innen und Beobachter:innen der Ber­li­ner Zi­vil­ge­sell­schaft auf ein Wort ge­be­ten – nach­ge­fragt, in die­ser Co­ro­na­zeit. Heu­te Ca­ro­lin Al­brecht, Glo­bal Ci­ti­zen, im Ge­spräch mit Re­né Tausch­ke.

Die Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lin und das Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin als Ver­an­stal­ter der Ber­li­ner En­ga­ge­ment­wo­che ha­ben sich das Jah­res­mot­to „Lern.Ort.En­ga­ge­ment.“ ge­setzt. Was be­deu­tet das Mot­to für dich? Was hast Du aus dem En­ga­ge­ment ge­lernt oder mitgenommen?

Carolin Albrecht

En­ga­ge­ment be­deu­tet für mich Ver­trau­en und Ge­mein­schaft. Ich konn­te bis­her in mei­ner eh­ren­amt­li­chen Ar­beit am meis­ten ler­nen, wenn ich auf Men­schen ge­trof­fen bin, de­nen ich sonst viel­leicht nicht be­geg­nen wür­de. 2012 war ich zum Bei­spiel als Men­to­rin für Schüler:innen aus Eng­land für den Wahl­kampf in den USA unterwegs.

Das war be­rei­chernd und span­nend. Ich konn­te von den Ideen und Ge­dan­ken der Schüler:innen ler­nen, aber auch mit Wähler:in­nen aus völ­lig un­ter­schied­li­chen Ge­gen­den in den USA spre­chen. Mir ist wich­tig, dass man mit dem En­ga­ge­ment et­was be­wir­ken kann. Des­we­gen ha­be ich mein En­ga­ge­ment auch zum Be­ruf ge­macht und set­ze mich ge­mein­sam mit Glo­bal Ci­ti­zen für ei­ne Welt oh­ne ex­tre­me Ar­mut bis 2030 ein.

Du warst un­ter an­de­rem bei Save the Child­ren In­ter­na­tio­nal tä­tig. Wie bist Du per­sön­lich zum En­ga­ge­ment ge­kom­men? Was treibt Dich in Dei­ner Ar­beit an?

Für mich stand nach dem Ab­itur fest, dass ich in mei­nem spä­te­ren Be­ruf, ak­tiv zu Lö­sun­gen zu den gro­ßen ge­sell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen bei­tra­gen möch­te. Wie ge­nau das aus­se­hen konn­te, wuss­te ich noch nicht, aber ich ha­be die Zeit wäh­rend mei­nes Stu­di­ums in In­ter­na­tio­na­ler Po­li­tik und Völ­ker­recht in Eng­land ge­nutzt, um mit eh­ren­amt­li­chen En­ga­ge­ment ver­schie­de­ne Din­ge auszuprobieren.

Ich ha­be mich an der Uni en­ga­giert, Cha­ri­ty Sa­les or­ga­ni­siert oder auch die pa­ralym­pi­schen Spie­len in Lon­don als Frei­wil­li­ge un­ter­stützt. Das war ein tol­les Er­leb­nis. So­bald man ein­mal an­fängt, sich zu en­ga­gie­ren, kann man gar­nicht mehr auf­hö­ren *lacht*. Man lernt im­mer wie­der neue Leu­te ken­nen und selbst im­mer mehr da­zu. Was mich im­mer an­ge­trie­ben hat und bis heu­te mei­ne Ar­beit de­fi­niert ist, dass ich Un­ge­rech­tig­kei­ten be­kämp­fen möch­te. Men­schen­rech­te und ein selbst­be­stimm­tes Le­ben soll­te kein Lu­xus sein, der nur ei­ni­gen von uns zur Ver­fü­gung steht. Da­für lohnt es sich je­den Tag zu kämpfen.

In wel­chen Be­rei­chen hat sich in den letz­ten Jah­ren durch das En­ga­ge­ment et­was be­wegt und die Si­tua­ti­on verbessert?

In der in­ter­na­tio­na­len Ar­muts­be­kämp­fung hat sich in den letz­ten Jahr­zehn­ten viel mehr ge­tan, als die Men­schen viel­leicht an­neh­men. So­wohl durch das En­ga­ge­ment ein­zel­ner Per­so­nen als auch durch den po­li­ti­schen Wil­len von Staa­ten. Die Zahl der Men­schen, die in ex­tre­mer Ar­mut le­ben, hat sich bei­spiels­wei­se seit 1990 hal­biert, ge­nau­so wie die Kindersterblichkeit.

Die größte Herausforderung aktuell: eine gemeinsame Verhandlungsbasis finden

Durch Co­vid-19 und die Kli­ma­kri­se droht die­ser Er­folg zu­nich­te ge­macht zu wer­den. Des­we­gen ist es auch bei uns ein gro­ßes The­ma. Wir möch­ten Men­schen da­für mo­bi­li­sie­ren, da­mit sie ih­re Re­gie­run­gen auf­for­dern, die Aus­wir­kun­gen der Pan­de­mie auf die Ärms­ten der Welt an­zu­er­ken­nen und ih­ren Ein­satz zur Un­ter­stüt­zung deut­lich erhöhen.

Was sind, Dei­ner Mei­nung nach, die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen un­se­rer Zeit?

Ich emp­fin­de es zu­neh­mend als größ­te Her­aus­for­de­rung, ei­ne ge­mein­sa­me Ver­hand­lungs­ba­sis zu fin­den. So­wohl in Deutsch­land als auch in­ter­na­tio­nal gibt es ei­ne star­ke Po­la­ri­sie­rung. Da herrscht die­ses „Wir ge­gen die“. Das be­rei­tet mir gro­ße Sor­ge. Denn das be­deu­tet, dass die wirk­lich gro­ßen Pro­ble­me, die wir ha­ben, et­wa der Kli­ma­wan­del oder die wach­sen­de Un­gleich­ver­tei­lung, nur schwie­rig ge­mein­sam ge­löst wer­den können.

Welt­weit gibt es vie­le Her­aus­for­de­run­gen – in den meis­ten Fäl­len geht es im­mer noch um Ar­mut, Hun­ger, Bil­dung, Ge­sund­heit, Frau­en­rech­te oder den Zu­gang zu Was­ser. Co­ro­na hat noch ein­mal al­les ver­än­dert und trifft be­son­ders die Ärms­ten am schlimms­ten. Wie ist Dei­ne Wahr­neh­mung: Führt Co­ro­na zu mehr Zu­sam­men­halt oder doch eher zur Spal­tung der Gesellschaft?

Wir ha­ben in den letz­ten Mo­na­te al­le fest­ge­stellt, wie schnell ein lo­ka­les Pro­blem zu ei­nem glo­ba­len wer­den kann. Ob es zur Spal­tung oder eher zum Zu­sam­men­halt führt, da­für ist es noch zu früh, das zu sa­gen. Ich hof­fe aber, dass es für Leu­te we­ni­ger ein An­lass ist, sich zu­rück­zu­zie­hen, son­dern es viel mehr um un­ser al­ler Ver­bun­den­heit geht. Für uns bei Glo­bal Ci­ti­zen ist es wich­tig, dass die Zeit nicht für wei­te­re Po­la­ri­sie­rung ge­nutzt wird, son­dern um ei­ne Vi­si­on ei­ner ge­rech­te­ren, nach­hal­ti­ge­ren Welt zu schaffen.

Pop und Politik zusammenzubringen: geballte Aufmerksamkeit für große Herausforderungen schaffen

Die Ak­ti­on „Glo­bal Goal: Unite For Our Fu­ture“ hat ein gro­ßes Me­di­en­echo ver­ur­sacht. Zu­sam­men mit der Eu­ro­päi­schen Uni­on hat „Glo­bal Ci­ti­zen“ am 27. Ju­ni 2020 ein Kon­zert ver­an­stal­tet. Mit State­ments und Bei­trä­gen von Dia­ne Kru­ger, Nao­mi Camp­bell, Hugh Jack­man, Jus­tin Bie­ber, Cold­play, Shaki­ra und Mi­ley Cy­rus. Bei der vir­tu­el­len Ge­ber­kon­fe­renz in die­sem Rah­men ka­men über sechs Mil­li­ar­den Eu­ro für die Fi­nan­zie­rung ei­nes Impf­stoffs ge­gen Co­vid-19 zu­sam­men. Wie wich­tig sind sol­che Kam­pa­gnen für die Auf­merk­sam­keit auf die welt­wei­ten Un­ter­schie­de – nicht nur in der me­di­zi­ni­schen Versorgung?

GlobalCitizen

Un­ser Kon­zept bei Glo­bal Ci­ti­zen zielt ge­nau dar­auf ab, Pop und Po­li­tik zu­sam­men­zu­brin­gen, um da­durch ei­ne ge­ball­te Auf­merk­sam­keit zu schaf­fen. Da­bei ist es wich­tig, kon­kre­te Ver­än­de­run­gen zu be­wir­ken. So­wohl „Glo­bal Goal: Unite For Our Fu­ture“ im Ju­ni als auch “One World Tog­e­ther At Home“ im April ha­ben ge­zeigt, wie wich­tig das ist, wie gut es funk­tio­niert und wel­che Wir­kung es ha­ben kann. Da­durch konn­ten wir nicht nur vie­le neue Glo­bal Ci­ti­zens für un­se­re An­lie­gen ge­win­nen, son­dern auch kon­kre­te Zu­sa­gen von Staats- und Re­gie­rungs­chef so­wie von Unternehmen.

Ins­ge­samt sind über 6,9 Mrd. US-Dol­lar zu­sam­men­ge­kom­men, die ei­ner­seits für die Ent­wick­lung und Pro­duk­ti­on so­wie Ver­tei­lung von Co­vid-19-Impf­stof­fen ein­ge­setzt wer­den, an­de­rer­seits wird es auch für die Ab­mil­de­rung der Aus­wir­kun­gen der Co­vid-19-Pan­de­mie für die Ärms­ten der Welt genutzt. 

Die­se Kam­pa­gnen ha­ben auch ge­zeigt, was mög­lich ist, wenn man sich so ei­ner gro­ßen Her­aus­for­de­rung stellt. Nor­ma­ler­wei­se nut­zen wir Live-Events, um Pop und Po­li­tik zu­sam­men­zu­brin­gen. Wir ha­ben das dann kurz­fris­tig und aus dem Ho­me­Of­fice in ein TV-Event um­ge­plant. „One World Tog­e­ther At Home“ im April, zu Be­ginn der Kri­se, ha­ben wir bei­spiels­wei­se in sechs Wo­chen auf die Bei­ne gestellt.

Das Ziel von Glo­bal Ci­ti­zen ist es, ex­tre­me Ar­mut bis 2030 zu be­en­den. Wie ist der Plan für die nächs­ten Mo­na­te und Jahre?

Durch Co­vid-19 und die Kli­ma­kri­se sind vie­le der Er­fol­ge in der Ar­muts­be­kämp­fung be­droht. Un­ser Plan und Ziel für die kom­men­den Mo­na­te und Jah­re ist es da­her, die Aus­wir­kun­gen der Pan­de­mie für die Ärms­ten der Welt ab­zu­schwä­chen, ei­ne ge­rech­te welt­wei­te Ver­tei­lung ei­nes Co­vid-19-Impf­stoffs und ‑Me­di­ka­ments si­cher­zu­stel­len und al­le Län­der auf Kurs zu brin­gen, die nach­hal­ti­gen Ent­wick­lungs­zie­le der Ver­ein­ten Na­tio­nen zu er­rei­chen und da­mit auch ein En­de der ex­tre­men Ar­mut bis 2030.

Ak­tu­ell ha­ben wir al­le die Bil­der aus Mo­ria im Kopf. Was soll­te die Po­li­tik tun, um den Men­schen zu helfen?

Kurz­fris­tig muss na­tür­lich den Men­schen in Mo­ria so­fort ge­hol­fen wer­den und es braucht end­lich ei­ne eu­ro­päi­sche Lö­sung in der Asyl­po­li­tik. Das kann nicht län­ger ver­tagt wer­den. Deutsch­land soll­te sich aber auch an ein Ver­spre­chen hal­ten, das vor über 50 Jah­ren in der UN ge­macht wur­de: 0,7 % Brut­to­na­tio­nal­ein­kom­mens soll­ten für Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit und hu­ma­ni­tä­re Hil­fe aus­ge­ge­ben wer­den. Das hat Deutsch­land bis­her erst ein­mal wäh­rend der Flücht­lings­kri­se 2015 ge­schafft und auch nur weil In­lands­kos­ten für Ge­flüch­te­te auf die­se Quo­te an­ge­rech­net wer­den kön­nen. Wir sind da­von über­zeugt, dass es ge­ra­de jetzt ex­trem wich­tig ist, dass Deutsch­land die­ses Ziel er­reicht und lang­fris­tig hält. Das ist auch das Ziel der Kam­pa­gne #Zu­kunftSchaf­fen.

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zu­letzt ak­tua­li­siert 21.09.2020