Wir fördern durch Engagement auch Teamgeist und Gemeinsinn: Birgit Nimke-Sliwinski über Kehrenbürger und Engagement in Berlin
Notiert von jor ~ 17. September 2020 ~
Zehn Jahre Berliner Engagementwoche: Die Landesfreiwilligenagentur Berlin hat Antreiber:innen und Beobachter:innen der Berliner Zivilgesellschaft auf ein Wort gebeten – nachgefragt, in dieser Coronazeit. Heute Birgit Nimke-Sliwinski, Leiterin Marketing der Berliner Stadtreinigung (BSR), im Gespräch mit René Tauschke.
Wir feiern die zehnte Engagementwoche. Daher möchte ich zunächst wissen, wie hat sich, in Ihren Augen, der Engagementbereich in den letzten 10 Jahren entwickelt?
Ich habe den Eindruck, dass das bürgerschaftliche Engagement in Berlin in den letzten Jahren stärker geworden ist. Die partizipative Stadtgesellschaft in Berlin zahlt sicher darauf ein. Es ist aber auch so, dass in vielen Bereichen immer noch ehrenamtliche Menschen fehlen.
Die Landesfreiwilligenagentur Berlin und das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin als Veranstalter der Berliner Engagementwoche haben für 2020 das Jahresmotto “Lern.Ort.Engagement.” gesetzt. Was bedeutet für Sie das Motto, was haben Sie aus dem Engagement gelernt oder mitgenommen?
Ehrenamtliches Engagement braucht Unterstützung in eigenen Strukturen oder von außen. So bringen wir zum Beispiel mit unseren “Kehrenbürgern” die Logistik rund um Clean ups ein, die Inititiatven veranstalten mit; oder wenn ich an die Stolperfallen des Datenschutzes denke. Ich erlebe an den vielfältigen Stellen unserer Unterstützung viel Dankbarkeit und ein großes Miteinander. Das tut der Stadtgesellschaft gut.
Der Engagementwoche ist gelungen, dem Ehrenamt mit seinen vielfältigen Möglichkeiten ein Gesicht zu geben
Wie hat die Engagementwoche Berlin geprägt? Was haben die Veranstalter in den letzten zehn Jahren geschafft oder geschaffen?
Den Veranstaltern ist es gelungen, dem Ehrenamt und seinen vielfältigen Möglichkeiten ein Gesicht zu geben. Mit der Woche wird dieses sehr schön sichtbar gemacht.
Sehen Sie das stärkere Engagement der Berliner:innen auch in ihren eigenen Aktionen, zum Beispiel bei den „Kehrenbürger“-Aktionen?
Wir sind im Jahr 2010 mit 30 Aktionen und etwa 900 Menschen gestartet. Im letzten Jahr waren es dann schon 800 Aktionen und knapp 25.000 Menschen in den Aktionen. Dabei sind die Aktionen noch gar nicht mitgezählt, die regelmäßig in Schulen und Kindertagesstätten stattfinden. Es ist also auch da ein steigendes Engagement sichtbar.
Wie ist die Aktion und die Plattform „Kehrenbürger“ entstanden und was genau passiert bei solch einer Aktion?
Im Jahr 2005 haben wir mit Putzaktionen in Berlin angefangen. Wir haben an fünf zentralen Stellen zum Platzputz aufgerufen und eingeladen. Die Aktionen waren nicht schlecht besucht, aber wir wussten auch: Berlin ist groß. Die Berliner:innen leben dementsprechend im starken Kiez-Bezug und verlassen ihren Kiez eher selten. Der Mensch wird eher aktiv, wenn es um das eigene Umfeld geht. Das ist auch nachvollziehbar. Wir haben es auf diese Weise nicht geschafft, viele Menschen zu mobilisieren, wie es in anderen Städten – wie zum Beispiel Hamburg – möglich ist.
Daraufhin war klar: Wir brauchen ein anderes Format. So kam es zum Kehrenbürger …
Das ist eine Plattform, bei der beispielsweise Initiativen regelmäßig Putz- oder Verschönerungsaktionen anmelden können. Die Materialien zum Abfall sammeln stellen wir zur Verfügung. Das sind neben Zange und Besen auch Westen und Arbeitshandschuhe.
Wir kümmern uns auch um die Entsorgung des Abfalls. Da uns Nachhaltigkeit wichtig ist, kommen die Besen und die Zangen in die Wiederverwendung. Die werden so lange genutzt, bis sie kaputt sind und werden nicht nach einmaliger Nutzung entsorgt.
Im März kam es deutschlandweit zum Lockdown und in Berlin gab es vielerorts Stillstand. Wie haben Sie darauf reagiert, sowohl im Unternehmen als auch mit der Kehrenbürger-Plattform?
Wir waren als Betrieb schon sehr streng mit den Corona-Maßnahmen. Daher haben wir in der Zeit des massiven Lockdowns die Kehrenbürger-Seite geschlossen und keine Anmeldungen mehr angenommen. Wir wollten das Zusammenkommen von größeren Gruppen auf engen Raum nicht auch noch fördern.
Im Betrieb mussten wir uns auf alles einstellen, was noch kommen könnte. Da war es uns natürlich in erster Linie wichtig die Entsorgungssicherheit in Berlin sicherzustellen. Das ist uns zum Glück gelungen.
Aber auch und vor allem durch die strikte Trennung in Gruppen von Mitarbeiter:innen im Betrieb. So konnten wir jederzeit die Betriebszeiten aufrecht erhalten. Aktuell können aber auch wieder „Kehrenbürger“-Aktionen angemeldet werden und auch zum Cleanup Day am 19. September werden wir zentrale Aktionen anbieten.
Wir sind davon überzeugt, dass das Engagement die Entwicklung einer Gesellschaft stärkt
Dass sich Unternehmen mit eigenen Aktionen zivilgesellschaftlich engagieren, ist nicht unbedingt selbstverständlich. Welche Zukunft hat die Schnittstelle Ehrenamt und Unternehmen in Ihren Augen?
Ehrenamtliches Engagement ist grundsätzlich wichtig. Wir engagieren uns jetzt schon seit vielen Jahren. Wir unterstützen den Berliner Fußballverband, den Berliner Handballverband und allgemein im Sport sehr viele Bereiche, darunter auch „Jugend trainiert für Olympia“. Dabei geht es darum, die Menschen im sportlichen Kontext in Bewegung zu bringen.
Wir sind aber auch davon überzeugt, dass das Engagement die Entwicklung einer Gesellschaft stärkt – ob man nun die Nachbarschaft durch Aktionen kennenlernt oder gemeinsam in Bewegung kommt. Als Unternehmen fördern wir durch das Engagement auch Teamgeist und Gemeinsinn.
Wir profitieren von diesen Partnerschaften ja auch. Wir fühlen uns als Unternehmen damit wohl und sind auch zutiefst davon überzeugt, dass das für ein Unternehmen, das allen Berliner:innen gehört, selbstverständlich ist.
Was wünschen Sie sich für den Berliner Engagement-Bereich in der Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ehrenamtliches Engagement mehr Sichtbarkeit erfährt. Nicht alle Institutionen schaffen das aus eigener Kraft. Dabei ist das so wichtig, besonders für die kleinen sozialen Projekte.
Lern.Ort.Engagement. | 10. Berliner Engagementwoche | Auf ein Wort
zuletzt aktualisiert, überarbeitet und ergänzt 21.09.2020